Neben dem Friedhof befindet sich die Gedächtnisstätte für zivile Opfer politischer Gewaltherrschaften. Sie wurde auf Initiative des Künstlers Karl Prantl errichtet. Die Gedächtnisstätte ist Teil des Pöttschinger Gedächtnisweges, der diese, den Friedhof und das Kriegerdenkmal auf dem Hauptplatz verbindet.
Der Gedächtnisweg ist symbolisch für unsere Erinnerungskultur: Wie in allen Gemeinden Österreichs wird seit Ende des 1. und 2.Weltkrieges der Gefallenen und Vermissten in Form der Kriegerdenkmäler gedacht. Doch den Menschen, die den Gesetzen zum Opfer fielen oder Widerstand leisteten und in Konzentrationslagern oder Tötungsanstalten starben – sie werden nirgends erwähnt. Mit dem Gedächtnisweg finden nun die Angehörigen auch jener Menschen einen materiellen Gedächtnisort, die nicht wissen, wo jene begraben sind oder welches Schicksal sie erlitten haben. Zwischen den beiden Erinnerungsorten liegt der Friedhof, wo diejenigen begraben sind, die in Pöttsching starben.
Die Gedächtnisstätte wurde speziell den Opfern politischer Gewaltherrschaften zwischen 1934 und 1945 gewidmet. Drei Gesteinsplatten, die von der Aufmarsch-straße zum Reichsparteitagsgelände in Nürnberg stammen, wurden verlegt. Die Verbindung Pöttsching – Nürnberg ist einerseits gegeben durch die Person des Bildhauers Karl Prantl und andererseits durch die historischen Zusammenhänge, die jeden einzelnen Pöttschinger aber auch jeden einzelnen Europäer und darüber hinausgehend betreffen. Denn jene Gesetze, die auf den Reichsparteitagen beschlossen wurden, die Ideen, Zielvorstellungen, die entwickelt wurden, betrafen in ihrer letzten Konsequenz jeden einzelnen Menschen – bis in das kleinste Dorf.
Steine sind im Sinne Prantls Opfer, vergleichbar den Zwangsarbeitern aber auch den vielen jungen, ahnungslosen Menschen, die in Massen zum Gelände gebracht wurden. Sie marschierten dort zu Ehren des Regimes und wurden anschließend in den Krieg geschickt, um wieder zu marschieren – in den Tod oder in Gefangenschaft.
Die Steine der Aufmarschstraße sind für Karl Prantl Denkmäler für die Opfer und deren Menschenwürde. Auf den Steinen der Gedächtnisstätte finden sich die Namen jener Pöttschinger, die (nach aktuellem Forschungsstand) zu solchen Opfern wurden.
Die Platten der Aufmarschstraße sollen durch ihre Geschichte, die sie beinhalten, an jene Menschen erinnern, die durch politische Massnahmen und Gesetze verfolgt, inhaftiert und getötet wurden. Dazu zählen jene, die durch die „Rassengesetze“ verfolgt wurden (Juden, Roma und Sinti), jene, die die Massnahmen zur „Vernichtung lebensunwerten Lebens“ betrafen (damals mit „geistig und/oder körperlich behindert“ bezeichnet, aber auch „Arbeitsunwillige“, „nicht zur Arbeit Fähige“) und all jene Personen, die sich gegen das herrschende Regime stellten (Widerstandskämpfer, kritische Meinungsäußerer). Wir wollen dazu auch noch jener gedenken, die in den letzten Kriegstagen und den Tagen danach in Pöttsching durch Gewaltakte umgebracht wurden.
Die drei Gesteinsplatten, die hier verlegt wurden, haben auch einen direkten Bezug zu Karl Prantls künstlerischem Werk und zwar zu seinem „Kreuzweg“.
Prantls „Kreuzweg“
Schon 1971 bearbeitete Prantl in Nürnberg einzelne Steinplatten der Aufmarschstraße – dies wurde ihm damals jedoch von der Polizei untersagt. Prantl befand sich anlässlich des „Symposion Urbanum“ zum 500. Geburtstag Albrecht Dürers in der geschichtsträchtigen Stadt. Im Jahre 1991 folgte schließlich eine Ausstellung in der Nürnberger Kunsthalle. In den sieben Räumen der Kunsthalle entstand eine einzige Installation – bestehend aus den Steinplatten der Reichsparteitagsstraße. Diese Installation wurde auch 1993 in Graz gezeigt. Seinen endgültigen Platz fand der „Kreuzweg“ Karl Prantls in den Neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts an der St. Lorenz-Kirche in Nürnberg.
Politische Situation in der 1. Republik
Ab 1925 gab es eine unglaubliche Radikalisierung des politischen Lebens in Österreich, bedingt war dies durch wirtschaftliche, soziale und politische Entwicklungen. Dazu kam 1927 das Urteil im Schattendorf-Prozess – dies führte dazu, dass die Gräben unüberwindbar wurden und zum Bürgerkrieg im Jahre 1934 führten.
Auch in Pöttsching gab es am 12. Februar 1934 Unruhen. Die Pöttschinger hatten auf ein Signal zum Losschlagen gewartet, doch der Gendarmerie war es vorher gelungen, die Waffen zu beschlagnahmen. Danach wurden die beteiligten Personen in Mattersburg und Pöttsching verhört. Dabei kam es auch zu schweren Misshandlungen, an deren Folgen Alexander Völkl im September starb. In den Jahren darauf wurden viele Menschen aus politischen Gründen vor Gericht gebracht und inhaftiert.
Parallel dazu gab es Entwicklungen, die ab 1933 in Deutschland umgesetzt wurden – ab 1938 auch bei uns. Sie betrafen jüdische Mitbürger und Mitbürgerinnen und Menschen, die nicht dem Rassenideal der Nationalsozialisten entsprachen.
Opfer in Pöttsching
In Pöttsching gab es in den 1930er Jahren noch zwei jüdische Familien. Sie wurden, wie viele andere, durch offizielle Maßnahmen aus dem Burgenland vorerst nach Wien umgesiedelt. Dort wohnten sie auf engstem Raum im 2. Wiener Gemeindebezirk. Viele versuchten, das Land auf legalem Wege zu verlassen, doch gab es eine wachsende Zahl bürokratischer Hürden.
Die Angehörigen der Familie Molnar, die lange Zeit in Pöttsching und später in Mattersburg ein Geschäft betrieben hatten, konnten das Land verlassen und nach Palästina, dem heutigen Israel, auswandern.
Der Familie Gleissner/Kopfstein gelang dies nicht. Ihr Geschäft in der Ödenburgerstraße wurde „arisiert“ – der Wert wurde geschätzt, die vorhandenen Waren veräußert bzw. dem Winterhilfswerk übergeben. Die Familie wurde im Februar 1941von Wien nach Opole in Oberschlesien (heute Polen) deportiert und dort zur Zwangsarbeit eingesetzt. „Vernichtung durch Arbeit“ – war das Ziel der Nationalsozialisten bevor sie mit den Massenvernichtungen durch Vergasungen begannen. Im August 1942 wurde das Ghetto von Opole liquidiert und 2.100 Juden in das Vernichtungslager Treblinka deportiert und umgebracht – unter ihnen Angehörigen der Familie Gleissner/Kopfstein.
Neun Personen fielen in Pöttsching der Euthanasie zum Opfer. Die Vorbereitungen für diese groß angelegte Tötungsaktion von kranken Menschen begannen schon 1933.
Am 14. Juli 1933 wurde in Deutschland das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses erlassen – es verpflichtete Amtsärzte und Anstaltsleiter zur Anzeige von sogenannten Erbkranken an „Erbgesundheitsgerichte“. Dieses Gesetz wurde nach dem Anschluss auch in Österreich umgesetzt. Dazu kam 1939 das Sterilisierungsgesetz – Menschen, die an manisch-depressiven Erkrankungen, an Chorea Huntington (eine Erkrankung des Gehirns, bekannt als „Veitstanz“), an „erblicher Blindheit oder Taubheit“ oder schwerem Alkoholismus litten, fielen unter dieses Gesetz.
1939 wurden in einem geheimen Runderlass des Reichsinnenministeriums alle Ärzte und Hebammen zur Meldung von „Missgeburten“ und betroffenen Kindern bis zu 3 Jahren verpflichtet. Später wurde dies auch auf Kinder bis siebzehn Jahre ausgedehnt – dadurch wurde auch die „Erfassung“ von verwahrlosten und schwer erziehbaren Kindern möglich.
Offiziell ging es nur um eine „Erfassung“ und „Begutachtung“ der betroffenen Personen. Dies war jedoch Teil einer großen Aktion zur Erhaltung der „reinen Rasse“ und der „Volksgesundheit“. Geistig und körperlich Behinderte, darunter auch Insassen von Pflege- und Altersheimen, wurden im Rahmen der Aktion „T 4“ mittels einer rückdatierten „Ermächtigung“ des Führers vom 1. September 1939 in Euthanasietötungsanstalten gebracht, u.a. nach Hartheim bei Eferding in OÖ. Dort wurden sie gleich nach ihrer Ankunft vergast. Daneben gab es die sogenannte „Wilde Euthanasie“ – dabei handelt es sich um die Ermordung der Patienten durch Verhungern, Vergiften, Herbeiführen von Infektionen und anderes – z,B. in Gugging oder Mauer-Öhling.